Interview zum Thema Burnout

Artikel in der Offenbach Post vom 08.11.2011

„Man kann früh etwas erreichen“
Dreieich - Immer mehr prominente Fälle von Burnout-Erkrankungen beschäftigen die Öffentlichkeit. Von Trainer Ralf Rangnick über Ex-Eintracht-Spieler Martin Fenin bis hin zu Michael Sternkopf, dem Organisationsleiter des OFC - die Liste lässt sich fortsetzen. Von Michael Schubert

Die in Dreieichenhain wohnhafte Diplompsychologin Monika Liersch hat sich dafür entschieden, schwerpunktmäßig mit Burnout-Patienten zu arbeiten. Im kommenden Jahr wird sie auch an ihrem jetzigen Wohnort eine Praxis eröffnen. Unsere Zeitung sprach mit Monika Liersch über Ursachen und Auswirkungen des Burnout-Syndroms sowie über die entsprechenden Workshops, die sie in Kürze in Götzenhain anbietet.

Was führt allgemein betrachtet zu einer Burnout-Erkrankung?

Zum einen ist der chronische Stress ein ganz wichtiger Faktor, der durch die Arbeit bedingt ist. Es gibt aber auch Studenten, die ein Burnout-Syndrom entwickeln. Und dann trifft es bestimmte Persönlichkeitseigenschaften. Es ist immer eine Interaktion aus äußeren Umständen und Anteilen in der Person. Das heißt, es sind meistens die Menschen, die alles ganz besonders gut machen wollen - im Grunde Leistungsträger der Gesellschaft mit Hang zum Perfektionismus. Und wenn dann die Situation entsteht, dass man erhöhten Stress und einen erhöhten Anspruch an sich selbst und seine eigenen Leistungen hat, aber das Ziel nicht erreichen kann, dann kann sich ein Burnout entwickeln.

Wieso hört man in letzter Zeit von so vielen prominenten Fällen?

Zum einen hat der Fall des Torwarts Robert Enke sicher dazu geführt, dass sich mehr Leute dazu bekennen. Auch wird die Störung einfach öfter in Fällen erkannt, die früher vielleicht „nur“ als Depression bezeichnet wurden. Burnout ist keine eigenständige Krankheit, sondern eine Zusatzdiagnose zur Depression. Was früher nicht Burnout hieß, wird heute doch oft als ein solcher bezeichnet. Vielleicht, weil die Mediziner und Psychiater aufmerksamer geworden sind.

Wie ergeht es Ihnen, wenn Sie von den zahlreichen aktuellen Fällen wie denen von Enke oder Rangnick hören?

Die Entwicklung hat sich abgezeichnet. Zwar ist nicht jede Depression ein Burnout, aber umgekehrt schon. Ich gebe seit 2006 an der Volkshochschule Frankfurt Kurse zu Strategien gegen Depression und da hat man es in den letzten Jahren zunehmend gesehen, dass es eigentlich ein Burnout ist, was die Leute haben. Und zwar durchweg durch alle Schichten und Unternehmensarten: Das können Angestellte von Banken aber auch Pflegeberufe sein. Der Druck wird einfach größer. Nationaltorwart ist natürlich ein besonderer Beruf. Da ist man immer in der Öffentlichkeit, immer unter Druck. Aber es betrifft eben nicht nur solche besonderen Positionen.

Glauben Sie, dass Sportler besonders anfällig für einen Burnout sind?

Ich weiß nicht genau, inwiefern sich die Situation im Sport verändert hat, vielleicht spielen Sponsoren auch eine Rolle. Aber das Fatale sind auf jeden Fall Leistungsdruck und chronischer Stress.

Wie wirkt sich ein Burnout aus?

Das Bild kann vollkommen unterschiedlich aussehen. Meistens entwickelt es sich über mehrere Monate oder sogar Jahre. Auch spricht man von verschiedenen Stadien. Das Endstadium ist die totale Unfähigkeit, noch irgendetwas zu machen, mit schweren körperlichen Symptomen. Depression, Ausweglosigkeit - wie man bei Robert Enke gesehen hat, kann das auch zum Selbstmord führen. Aber es beginnt eigentlich mit einem Überengagement. Und wenn derjenige merkt, dass er nicht ans Ziel kommt, lässt das Engagement nach. Dann ist oft ein sozialer Rückzug zu verbuchen, die Leute gehen ihren Hobbys nicht mehr nach, treffen keine Freunde mehr. Hinzu kommt der Substanzmissbrauch, zum Beispiel von Alkohol, Drogen oder auch dem Computer - bis hin zum totalen Zusammenbruch. Kleinste Anstrengungen stellen dann einen riesen Berg dar.

Kommen die Patienten selbst zur Einsicht? Oder müssen sie von Angehörigen darauf hingewiesen werden?

Das ist unterschiedlich. Wenn man ein bisschen informiert ist, kann man sich auch ganz gut selbst einordnen. Aber meistens verläuft der Prozess schleichend über mehrere Monate. Hier wird der Betroffene meistens im Betrieb oder von Angehörigen darauf aufmerksam gemacht, weil er beispielsweise in seiner Freizeit nur noch zu Hause bleibt. Von alleine kommen nur die wenigsten zur Einsicht. Vor allem in den älteren Generationen denken sich viele: Ich brauche nicht zum Psychologen gehen, ich bin doch nicht verrückt.

Warum haben Sie das Thema Burnout zu einem Ihrer Schwerpunkte gemacht?

Sowohl bei meinen Depressionskursen, als auch bei meiner Fortbildung zur klinischen Neuropsychologin, die ich nebenbei mache, häufen sich diese Fälle massiv. Und wenn man ständig damit zu tun hat, wird es - auch durch die Patienten, die kommen - automatisch zum Schwerpunkt. Und: Ich denke, man kann früh etwas erreichen, wenn man präventiv arbeitet.

Wie schwer ist es, einen Burnout-Patienten zu behandeln?

Das kommt darauf an, in welchem Stadium er sich befindet. Ich hatte 2009 auch schon einmal Symptome, weil ich so viel gearbeitet habe. Und wenn man das erkennt, einen „Cut“ macht und sich eine Auszeit nimmt, ist es in solch einem frühen Stadium relativ gut zu behandeln. Aber je mehr es dem Ende zugeht, bleibt einem irgendwann nur noch ein Klinikaufenthalt.

Wie lange dauert die Behandlung?

Das kann bis zu einem halben Jahr dauern. Hier sieht man auch die Kurzsichtigkeit vieler Betriebe: Auf der einen Seite erhöhen sie den Druck, um Personalkosten zu senken, haben dann aber Ausfallzeiten, die im Endeffekt viel teurer sind. Durch die chronische Stressbelastung wird auch das Immunsystem geschwächt und der Körper anfällig für alle Sorten von Infektionskrankheiten.

Wie arbeiten Sie mit einem Burnout-Patienten?

Ich arbeite lösungsorientiert. Ich fokussiere auf die Ressourcen des Patienten und auf die Lösungen. Das heißt, dass ich mir nicht die gesamte Kindheit mit all ihren Problemen anschaue, sondern frage mich eher: Was könnte besser sein? Wo ist das Ziel? Ich verwende Techniken der Hypnotherapie nach Milton-Erickson, die viel mit hypnotischen Elementen arbeitet. Auch über den Körper kann man viel erreichen, beispielsweise durch Entspannungsverfahren oder Sport.

Was kann man als Angehöriger eines Burnout-Erkrankten tun?

Zu aller erst: Aufmerksam machen. Dann kommt es wieder darauf an, was derjenige hat – befindet er sich noch am Anfang oder ist er schon völlig am Ende? An oberster Stelle steht die Information.

Was erwartet die Dreieicher bei Ihren Workshops?

Am Anfang steht die Information, das Klären der Begriffe, Symptome und Verlauf. Ich lasse die Teilnehmer außerdem einen Fragebogen ausfüllen, damit sie ihr persönliches Burnout-Risiko einschätzen können. Dann erzähle ich etwas über die Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten. Aber der Workshop soll kein reiner Vortrag sein - viel lieber sollte alles interaktiv ablaufen. Jeder Teilnehmer kommt mit einem bestimmten Anliegen und soll auch für sich etwas mitnehmen können. Damit ich individuell auf jeden eingehen kann, ist die Teilnehmerzahl auf 15 Leute beschränkt.

Monika Lierschs Bournout-Workshops finden an den Samstagen, 12. November und 21. Januar, jeweils in der Zeit von 14 bis 17 Uhr In den Rohwiesen 11 statt. Wer Interesse hat, kann sich unter 3867728 oder per E-Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! anmelden.